Hauptausschuss des Deutschen Schachbunds 2020

Es juckt nun doch wieder in den Fingern. Dieser Blog, den ich vor vielen Jahren einmal zu anderem Zwecke und auf Englisch betrieben hatte, war eigentlich schon lange eingeschlafen. 

Da ich nun allerdings seit vielen Jahren endlich einmal wieder Zeit habe, mich intensiver mit Schach zu beschäftigen, und ich mich gleichzeitig immer wieder über die Geschehnisse rund um den Schachbund ärgern muss, habe ich mir vorgenommen, mich an dieser Stelle wieder etwas häufiger zu schachlichen Themen zu äussern.

Er kanns nicht lassen: Ab sofort betreibt RevTiberius wieder sein Schachblog und wird diverse Themen rund um die 64 Felder kritisch beleuchten. "Prädikat wertvoll"

Mit professionellen Schachblogs wie z.B. den Perlen vom Bodensee will ich es erst gar nicht aufnehmen. Aber ich möchte hier doch etwas ausführlicher schreiben, als dass z.B. auf Twitter möglich wäre.

Loriot äusserte sich in einem seiner Sketche einmal wie folgt. Er kann eigentlich nur meinen Schachblog gemeint haben:

Hier werden Dinge in einer Eindringlichkeit und Präzision beschrieben, die bisher in der deutschen Schachszene nicht zu finden waren. Der Autor zieht es vor, anonym zu bleiben. Das überrascht, denn bei aller Offenheit zeigt der Blog eine ungewöhnliche Reinheit der Sprache, und man sollte nicht zögern, ihn gerade der heranreifenden Jugend in die Hände zu legen. (Loriot; Literaturkritik, 1972)

So zumindest mein Anspruch an mich selbst... ob ich dem gerecht werde, muss der geneigte Leser entscheiden.

Apropos Loriot: Der Hauptausschuss des Schachbunds erinnerte auf geradezu fatale Weise an die Absurdität der Vereinssitzung aus Loriots Ödipussi. Als Video zu sehen hier: Die Vereinssitzung. Der DSBHA hat jedenfalls mit den Themen Schachjugend, Finanzrücklage, und Leistungssportreferent drei "ganz heisse Eisen" angefasst...  

So. Nun aber genug der Vorrede. Es besteht im Moment rund um das Schach in Deutschland nun wirklich kein Mangel an attraktiven Themen. Heute möchte ich es (zum Aufwärmen) zum gerade veranstalteten DSB Hauptausschuss (DSBHA) versuchen.

(Anmerkung 1: Im folgenden sind meine Eindrücke gestützt auf die Tweets von Paul Meyer-Dunker, der offenbar Teilnehmer am DSBHA gewesen ist, und auf Twitter über den Verlauf informierte. Sobald wie vom DSB in seiner Pressemitteilung (ja, es gibt sie doch...) versprochen auch das Protokoll vorliegt, werde ich gegebenenfalls noch einmal genauer Stellung nehmen)

(Anmerkung 2: der heutige Beitrag ist aus gegebenem Anlass sehr kritisch. Ich möchte aber versuchen, in Zukunft hauptsächlich konstruktive Vorschläge zu machen. Anonym im Internet zu kritteln ist einfach. Als Ehrenamtler oft undankbare Arbeit zu leisten, ist ungemein schwieriger. Das will ich auf keinen Fall in Abrede stellen.)

Obwohl Schach zur Zeit so populär ist wie nie, und der Schachbund eigentlich eine Steilvorlage nach der anderen verwandeln könnte, erlebt man mit Entsetzen ein nie enden wollendes Trauerspiel. Der Verband taumelt von einer Peinlichkeit in die nächste, was mittlerweile selbst in der nicht-schachlichen Tagespresse verwundert zur Kenntnis genommen wird.  

Auch wenn viele der aktuellen Krisen (z.B. etwa die "Causa Jordan", Entlassung des Bundestrainers Rogozenco; Paethz vs. Meier; Schachjugend vs. DSB) nicht direkt von der gegenwärtigen Führungsriege verursacht wurden, betreibt der DSB doch ein grottenschlechtes Krisenmanagement. 

Daher war es wohl auch nicht verwunderlich, dass der DSBHA sehr viel tumultartiger verlief, als es die Pressemitteilung den Anschein zu erwecken versuchte. 

Ich möchte mich hier auf einen Punkt konzentrieren, der mich schon lange wundert und stört: die schlechte Öffentlichkeitsarbeit des Schachbunds. Offenbar soll nun auch noch eine professionelle Agentur mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut werden. Meines Erachtens ist dies der völlig falsche Weg. Aus hauptsächlich zwei Gründen:

1. Der DSB hat (theoretisch) einen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit. Das sollte reichen, wenn gewährleistet ist, dass die Stelle mit einer geeigneten Person besetzt und den nötigen Befugnissen ausgestattet ist. Es ist doch bei allem Respekt beschämend, dass die Schachjugend auch ohne Agentur und Öffentlichkeitsreferenten deutlich besser und schneller über ihre Arbeit informiert. Auch viele Schachvereine, und zwar nicht nur die ganz grossen, sind im Internet viel besser aufgestellt. Das trifft übrigens auch auf die Heimatvereine vieler Präsidiumsmitglieder zu.

2. Meine eigene berufliche und ehrenamtliche Erfahrung hat mich zu dem Schluss kommen lassen, dass externe Agenturen nur bedingt helfen können, weil ihnen schlicht die Sachkenntnis fehlt, und sie daher doch meistens interne Resourcen binden, was dann oft zu sehr ineffizienten Arbeitsabläufen führt.

Warum der Schachbund die Stelle des Öffentlichkeitsreferenten nicht ernst nimmt, wurde schon oft beklagt. Auch ich kann mir das nicht erklären.


Mein Vorschlag: warum versucht man es nicht erst einmal mit einem (oder zwei, siehe unten) geeigneten Kandidaten für das Amt des Öffentlichkeitsreferenten, der auch wirklich will, kann, und darf? Der Schachbund muss dieses Ehrenamt ernst nehmen, und mit den nötigen Befugnissen und Freiheiten ausstatten. Gleichzeitig sollten sich Bewerber aber auch ehrlich fragen, ob sie überhaupt geeignet sind. 

Natürlich ist die Position ein Ehrenamt und keine Vollzeitstelle, aber ich bin mir 100% sicher, dass sich leicht viel mehr erreichen liesse, wenn der Schachbund und die betreffende Person denn nur wirklich wollten.

Sollte das wider Erwarten keine deutlich besseren Ergebnisse bringen, könnte man die Stelle als Freiwilliges Soziales Jahr ausschreiben, und sich eine (zwei?!) junge motivierte und internet-affine Person ins Haus holen. Kandidaten zu finden, die dann auch noch selbst aktiv Schach spielen, dürfte nicht allzu schwierig sein. 

Anfragen der überregionalen und nicht-schachlichen Presse sollten ohnehin vom Präsidenten selbst beantwortet werden. Die Auftritte von Ullrich Krause im Frühstücksfernsehen vor ein paar Jahren waren doch schon ein guter Anfang.

Es gibt in der amerikanischen Betriebswirtschaftslehre den Spruch "the sales department isn't the whole company. But the whole company better be the sales department". Sinngemäss heisst das etwa: Der Vertrieb ist nicht die ganze Firma, aber die ganze Firma sollte zum Vertrieb beitragen". Das sehe ich in bezug auf Öffentlichkeitsarbeit und den DSB genau so. Da muss einfach mehr kommen, von allen im Führungsteam. Selbst wenn es (nur) regelmässige re-Tweets (Material ist doch genug da, wenn auch leider nicht vom Schachbund) und kurze Blogs sind. 

So verstehe ich z.B. auch nicht, dass man von den anderen Referenten (z.B. Frauenschach, Ausbildung, Seniorenschach, und Breitenschach) so gar nichts hört. Dort werden doch auch spannende Themen bearbeitet - es wäre bestimmt interessant, wenigstens hin und wieder mal etwas darüber zu erfahren. Etwa zum Thema Breitenschach in Zeiten von Covid und Queen's Gambit. Das wär' doch mal was.

Blick Nach Vorn

Der Schachbund hat viele Baustellen zu bearbeiten, aber mir scheint im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wäre es besonders einfach, mit den richtigen Leuten schnelle Erfolge zu erzielen und wenigstens ein paar fundamentale Fortschritte zu machen. Zur Not muss dass Präsidium eben über seinen Schatten springen und sich von der Schachjugend zeigen lassen, wie es besser geht.

Vielleicht braucht es sogar zwei Öffentlichkeitsreferenten: einen, der sich ums Internet und die sozialen Medien kümmert, und einen (vielleicht ehemaligen oder aktiven Journalisten oder PR-Fachmann?!) der mit mehr Fachwissen und Erfahrung Kontakte in die Politik, die Medien, und Kulturlandschaft knüpft. Meiner Meinung nach ist das sogar Chefsache und sollte nur in Zusammenarbeit mit dem DSB-Präsidenten passieren, denn es ist wichtig, dass man seinen Ansprechpartnern, und denen, die es noch werden sollen, auf Augenhöhe begegnet.

Der Präsident hat naturgemäss viel zu tun und wenig Zeit, aber dies sollte ein Schwerpunkt der Arbeit des Amtsinhabers sein - unabhängig von der Person. Vor allem mit dem Ziel, dass wieder mehr über Schach und weniger über das chaotische Krisenmanagement des Präsidiums gesprochen wird.  

Wie auch immer. Man sollte es auf jeden Fall erst einmal ernsthaft versuchen, bevor man sich externe Dienstleister ins Boot holt, die nur wenig Mehrwehrt liefern können, und deren Etat mit Sicherheit jedes Jahr zum Zankapfel wird.

Dieser Spiegel Titel stammt aus dem Jahre 1997. Es ist nicht zu erwarten, dass es Schach demnächst mal wieder auf die Titelseite schafft. Dennoch sollte es das Ziel des DSB sein, Schach auch über die Fachpresse hinaus wieder präsenter in den Leitmedien zu machen. Die Titelgeschichte und einen Artikel Kasparows über seine ersten Erfahrungen mit Schachcomputern kann man hier nachlesen: Mensch gegen Maschine.


Letzter Gedanke zum Thema: Ullrich Krause weist ja zurecht darauf hin, dass der Schachbund als Organisation zu gross ist, als dass sich alle Aufgaben mit Freiwilligen und Ehrenamtlern besetzen liessen, z.T. ja schon allein aus Haftungsgründen. Sein eigenes Ehrenamt ist - aller berechtigten Kritik an seiner Amtsführung zum Trotz - vermutlich auch besonders undankbar. Selbst Friedrich Merz freut sich wahrscheinlich insgeheim, dass es mit dem DSB-Präsidenten jemanden gibt, der noch mehr öffentliche Kritik einstecken muss als er selbst. 

Daher bin ich dem Anliegen, den Schachbund mit mehr hauptamtlichen Stellen auszustatten, grundsätzlich gar nicht abgeneigt, auch z.B. aus Gründen der Kontinuität. Aber dann stellt sich die Frage, warum das Geld für externe Dienstleister, und nicht für eigene hauptamtliche Mitarbeiter ausgegeben werden soll. Ausserdem gibt es in der deutschen Schachszene viele gute Beispiele dafür, dass man Öffentlichkeitsarbeit auch mit ehrenamtlichen Mitteln sehr gut betreiben kann - es der DSB aber nicht einmal ernsthaft versucht.

Anstatt mit einer Agentur unnötig Geld auszugeben, wäre es mir lieber, der DSB würde diese Mittel in schachliche Aktivitäten investieren. Am liebsten für alles, was mit Basisarbeit und Breitensport zu tun hat, wenn nötig aber auch um den Spitzensport besser zu förden. 

Endgültige Antworten habe ich also auch nicht zu bieten. Nur die unbefriedigende Feststellung, dass es beim Schachbund mit der Öffentlichkeitsarbeit allen Ankündigungen zum Trotz nicht nur nicht besser wird, sondern nun auch noch in die falsche Richtung zu gehen scheint. Fortsetzung folgt. 



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