Fat Fritz 2.0 - Ein Kommentar aus Anwendersicht

Gestern abend erschien bei den Perlen vom Bodensee der schöne Artikel Stockfish 13 und der Fette Fritz. Eine gute Zusammenfassung der Kontroverse um das neueste Schachprogramm von ChessBase, wie ich finde. Ich möchte hier auf einige der Punkte des Artikels eingehen, und noch ein paar weitere Aspekte ansprechen, vor allem aus meiner Sicht als Anwender und Endkunde.   

Als Anwender interessiert mich nämlich der eigentliche Kern des Konflikts im Grunde nicht. Zwar ist die Frage, ob ChessBase bei der Kommerzialisierung von Fat Fritz 2.0 Open Source Lizenzen verletzt hat, wichtig. Und natürlich muss geklärt werden, ob ChessBase und Albert Silver deutlich und ehrlich genug auf den eigentlichen Ursprung des Programms hingewiesen haben.

Aber - offen gesagt - interessieren mich diese Fragen als Anwender eher weniger. Für mich ist ganz praktisch nur die Frage relevant, ob das neue Fat Fritz 2.0 wirklich 100 Euro wert ist.

Und da ist für mich die Antwort ziemlich klar: nein.

So bewerben Chessbase Fat Fritz 2.0 auf ihrer Website. Hauptargument für den Kauf ist die gesteigerte Spielstärke

Ich bin der Meinung, dass moderne Schachprogramme schon seit mindestens 10 Jahren so stark sind, dass Spielstärke als Argument für den Kauf einer neuen (und jeweils immer "noch besseren") Programmversion mehr oder weniger ausscheidet. Das mag für Computerschachspezialisten interessant sein, die ihre Engines gegen andere Computer antreten lassen; der Mehrwert für mich als "normalen" Vereins- und Turnierspieler erschliesst sich mir nicht.

Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man mich überhaupt dazu überreden könnte, den stolzen Preis von 100 Euro für ein neues Schachprogramm zu bezahlen. Aber wenn das gelingen soll, geht das nur mit wirklich innovativen Funktionen. 

Und genau hier liegt das Problem: moderne Software ist in der Regel bereits so ausgereift, dass wirklich bahnbrechende Neurerungen und Features kaum noch vorkommen. Damit meine ich nicht nur Schachprogramme, sondern Software insgesamt. Wenn ich mir z.B. Microsoft Office oder Adobe Photoshop ansehe, muss ich feststellen, dass sich auch dort seit vielen Jahren kaum noch was ändert; auch wenn die Marketing- und Vertriebsabteilungen dieser Konzerne natürlich unentwegt mit grossem Aufwand versuchen, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Und weil das nicht gelingt, wird man als Kunde immer häufiger per Umstellung auf Saas (Software-as-a-Service) in ein Dauerabonnement gepresst. 

Ich selbst benutze ältere Versionen von Chessbase Software, genauer gesagt Chessbase 12 und Fritz 11, beide jeweils mit aktueller Stockfish Engine. Obwohl schon in die Jahre gekommen, genügen diese Programme meinen Ansprüchen vollkommen. Seit diese Programme vor etwa 10 Jahren auf den Markt gekommen sind, ist, soweit ich das überblicken kann, in den Nachvolgeversionen kein einziges Feature dazugekommen, dass ein Update zwingend nötig machen würde.

Nebenbei bemerkt: Ich hatte mal einige Jahre hin- und herüberlegt, ob ich mir eine Playchess Mitgliedschaft kaufen sollte; Hauptgrund war, dass ich meine Blitzpartien als Datenbank in Chessbase importieren wollte, um dort meine gespielten Eröffnungen statistisch auszuwerten. Inzwischen geht diese Einbindung aber auch gut über andere, kostenlose Anbieter wie z.B. Liechess; auch dort kann ich meine Partien exportieren. 

Ich weiss ehrlich gesagt nicht, welches "Killer-Feature" eine neue Fritz Version anbieten könnte oder müsste, um mich zum Kauf zu überreden. Im Moment halte ich es für ausgeschlossen, in naher Zukunft noch einmal Geld für ein Schachprogramm auszugeben.

Aber noch ist für Chessbase nicht Hopfen und Malz verloren, denn ich spiele mit dem Gedanken, mir zu meinem nahenden Geburtstag die neue MegaBase 2021 zu gönnen. Meine Version ist schon uralt. Einige Partien der neueren "Superturniere" würde ich gern noch mal in Ruhe nachspielen. 

Eine Lanze für ChessBase

Bei aller berechtigten Kritik am Marketing und der Preisgestaltung von Chessbase möchte ich aber auch einen Punkt nicht unerwähnt lassen, an dem die hamburger Firma aus Kundensicht klar besser ist als die internationale Konkurrenz.

Bei ChessBase gibt es Produkte noch als Download und DVD. Bei der Konkurrenz von Chessable und anderen Anbietern gibt es alle Inhalte nur als Stream und SaaS ("Software-as-a-Service"). Als Kunde empfinde ich das als äusserst unangenehm, denn wenn ich schon mein hartverdientes Geld in Schachprodukte stecke, dann möchte ich auch uneingeschränkt Besitzer dieser Produkte sein.

Trotz des gegenwärtigen Schachbooms ist es nämlich keineswegs sicher, dass es Firmen wie Chessable auch langfristig geben wird. Und sollten es sie eines Tages nicht mehr geben, sind auch alle Streaminginhalte verloren. Gerade bei den heftigen Preisen, die Chessable verlangt, ein ziemliches Risiko, wie ich finde. 

Dagegen wirken die Chessbase Schachteln in meinem Regal dann doch beruhigend.




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