Peter Nielsen und die Geistig-Moralische Wende

Gedanken zur FIDE-Präsidentschaftswahl - Teil 2  

Link zum ersten Teil: Mutter Courage und Ihre Kinder

Dieter Hildebrandt galt und gilt gemeinhin als der Grandseigneur des deutschen politischen Kabaretts. Von den Anfängen bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, über die Notizen aus der Provinz (die auch als Inspiration bei der Namensfindung meines Twitter-Accounts dienten), bis hin zum Scheibenwischer und seinen vielen Soloprojekten hat Hildebrandt das politische Kabarett Nachkriegsdeutschlands geprägt wie kein Zweiter, und dabei viel auch zu meiner politischen Sozialisation beigetragen, auch wenn ich letzten Endes im bürgerlichen Lager gelandet bin.

Auf diesem Foto sieht man ihn, wie er sich während einer seiner Sendungen wieder einmal an seinem (Lieblings-?!) Feinbild Helmut Kohl abarbeitete:


Bekannt ist außerdem Hildebrandts Zitat aus seiner fiktiven Abschiedsrede Herbert Wehners:
"Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Leidenschaft. Ich hätte Ihnen die Ihre auch gerne verziehen."

An diesen Satz fühle ich mich dieser Tage regelmäßig unwillkürlich erinnert, wenn ich auf Twitter den Streit zwischen Peter Heine Nielsen und Emil Sutovsky verfolge. Denn mit genau dieser ungestümen Leidenschaft schlägt Nielsen um sich. Vieles von dem, was sich Nielsen und Sutovsky an den Kopf werfen, kann ich im Detail nicht beurteilen. Grundsätzlich geht die Kritik aber in die richtige Richtung:

Er stört sich unter anderem daran, dass Sutovsky sein Amt als Generaldirektor der FIDE nicht neutral ausübe, sondern in unbotmäßiger Weise die Wiederwahl Arkady Dvorkovichs unterstütze. 

Darüber hinaus kritisiert Nielsen in deutlichen Worten die Korruption in der FIDE, die sich aus den vielfältigen persönlichen, wirtschaftlichen, und politischen Verflechtungen zwischen dem Weltschachbund mit dem Kreml und russischen Oligarchen ergibt. 

In Sachen Korruption hatte im übrigen Nigel Short bereits vor Jahren eine Art "Geistig-Moralische Wende" bei der FIDE angekündigt, um ein Wort Helmut Kohls zu bemühen. Aber genau wie der Begriff der "Geistig-Moralischen Wende" heute, wenn überhaupt, dann nur noch ironisch verwendet wird, haben sich auch Shorts vollmundige Ankündigungen als Rohrkrepierer erwiesen. Das strukturelle Korruptionsproblem der FIDE hat sich nicht verbessert, und Short selbst ist mir in seinem Amt nur als arroganter, dünnhäutiger Lautsprecher in eigener Sache aufgefallen. Eine klare Fehlbesetzung. 

Ich glaube, Nielsen würde es wirklich besser machen wollen. 

Und Sutovsky? Der reagiert auf Nielsen meist mit einer gönnerhaftigen Bräsigkeit, die ihrerseits auch ein bisschen an Helmut Kohl erinnert. Und macht keine besonders gute Figur dabei. 

Es würde mich wundern, wenn Arkady Dvorkovich nicht wiedergewählt wird. Trotzdem gilt meine Sympathie dem Ticket Baryshpolets/Nielsen. Wir harren der Dinge, die da kommen.
 

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